… Also, er klatscht Mut-er und malt die Bögen unter Mut und ter. Da wird deutlich, dass die Duden-Trennsilben nicht immer Sprechsilben sind. Das t in der zweiten Silbe des Wortes Mutter wird nicht gesprochen. Man hört dieses zweite t auch beim Silbenklatschen nicht. Aber für das Zeilenende ist die Trennung in Mut-ter optimal. Meinem Schüler erkläre ich die Silben selbstverständlich so, wie sie in der Schule gelehrt werden. Ich sage ihm, dass er beim Klatschen hört, dass der Vokal kurz ist und dass deshalb zwei Konsonaten erforderlich sind. Beim Lesen braucht er bei solchen Wörtern sowieso keine Silbenkennung mehr. Dass wir beim Lesen eine andere Silbenkennung hatten (und in manchen Übungen noch haben), ist ihm gar nicht bewusst. Das Ziel ist, dass auch ohne Silbenkennung flüssig gelesen wird. Deshalb ist auch nur ein Teil meiner Übungen mit einer Silbenkennung versehen.
Alles ist „geregelt“
Im Grammatik-Duden wird für die Doppelkonsonanten der Begriff „Silbengelenk“ verwendet. Ich nutze diesen Begriff bzw. diese Konstruktion weder für die Lese- noch für die Rechtschreibförderung. Von den im Duden genannten Regeln zur Silbenbildung treffen auf Wörter mit Doppelkonsonanten zwei Regeln zu.
Eine dieser Regeln besagt: Steht zwischen den Vokalen – und zwar in Lautschrift - nur ein Konsonant, gehört dieser zur zweiten Silbe. Also gehört der Laut l in holen und Scholle (in der Lautschrift gibt es das l nur einmal) zur zweiten Silbe.
Die andere Regel lautet, dass eine betonte Silbe – wie zum Beispiel die erste Silbe in helfen und in Scholle – mindestens einen Konsonanten im Endrand haben muss. Also muss der Laut l in beiden Wörtern in die erste Silbe.
Beide Regeln wendet der Duden beim Wort Scholle an. Das l gehört bei diesem Wort zu beiden Silben und wird als Silbengelenk bezeichnet. Deshalb kommt es zur Silbenbildung Schol-le, obwohl das l in der zweiten Silbe nicht gesprochen wird. Die Engländer sind da konsequent: Bei alley wird all-ey getrennt.
Leicht verständlich oder gar lesegerecht ist die Duden-Logik nicht. Was sollen Buchstaben in einer Sprechsilbe, die nicht gesprochen werden, weil sie eine ganz andere Funktion haben, nämlich die Länge des Vokals in der Silbe davor zu markieren.
Die Problematik der Doppelkonsonanten ist nicht nur mir bewusst. Der Mildenberger Verlag, der neben der farblichen Silbenmarkierung mit der Häuschen- und Garagendarstellung arbeitet, lässt in der Trennwand zur Garage bei Doppelkonsonanten eine Lücke. Ein merkwürdiger Baustil!
Nochmal zum Wort singen. Da gibt es das gleiche Dudenproblem wie bei den Doppelkonsonanten. Man hört zwischen den Vokalen nur einen Laut, nämlich ng. Also muss man diesen – laut Duden-Logik – auf die beiden Silben aufteilen, also sin-gen. Bei mir verstärkt sich der Eindruck, dass man die optimale Aufteilung eines Wortes am Zeilenende verkrampft mit Regeln zu erklären versucht.
Bei Katze hört man nur die Laute k a z und e. In Silben wird aber daraus Kat-ze, obwohl tz ein Laut ist. Und der Bä-cker bekommt vom Duden durch die Silbentrennung sogar ein langes ä ausgewiesen. "Silbe offen, Vokal gedehnt", so heißt die Regel. Bei mir gibt es jetzt die Katz-e und den Bäck-er.
Weitere Ungereimtheiten bei der Duden-Trennung
Ein gutes Beispiel für die Duden-Trennlogik sind auch Wörter wie aus-führ-lich. Muss aus grammatischen Gründen ein e angehängt werden, wird daraus: aus-führ-li-che. Klar, nur das e am Zeilenende abzutrennen, das wäre sinnlos. Gesprochen wird aber aus-führ-lich-e. Und so kennzeichne ich solche Wörter jetzt für meine Schüler.
Auch bei der Nachsilbe ung passe ich meine Silbenkennung inzwischen an: Sil-ben-kenn-ung oder Ver-breit-ung. Diese Darstellung hilft den Schülern.
In Silben lesen – aber richtig
Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Schüler, die sehr viele Lesefehler machen, viel besser lesen, wenn ich sie zum langsamen Lesen anhalte und die Silben der Wörter kennzeichne. Bei meiner Methode kann der Trainer wählen, wie der Text am Bildschirm angezeigt wird, satz-, wort- silben- oder buchstabenweise. Beim Üben mit einem Buch nimmt man dafür ein Leselineal. Wird die Silbe sin aufgedeckt oder erscheint sie am Bildschirm, liest sie der Schüler auch so, wie sie dasteht. Danach folgt die Silbe gen, und die wird auch so gelesen. Der Laut ng wird getrennt und damit verfälscht. Bei sing-en dagegen wird der Lesefluss unterstützt. Und mit richtig gekennzeichneten Silben und langsamer Textanzeige lesen meine Schüler fast fehlerfrei. Und: Sie raten nicht mehr bzw. gewöhnen sich das Raten ab. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass Schüler, deren normale Blickrichtung von rechts nach links geht, damit ihre Blickrichtung trainieren und ihre Blickspanne vergrößern.
Lese- und Rechtschreibregel für Vokale
Die Leseregel lautet: Kommen nach dem Vokal in der ersten Silbe (eines zweisilbigen deutschen Wortes) zwei oder mehr Konsonanten, dann lese ich diesen Vokal nur kurz. Folgt nur ein Konsonant, lese ich den Vokal gedehnt. Einsilbige Wörter, die mit dem Vokal oder nur einem Konsonanten enden, haben einen gedehnten Vokal. Der Vokal ist kurz zu lesen, wenn mehrere Konsonanten am Ende des einsilbigen Wortes stehen.
Die Rechtschreibregel lautet: Höre ich nach einem kurzen Vokal in der ersten Silbe (eines deutschen Wortes) nur einen Konsonanten, muss ich diesen verdoppeln.
Wenn ein noch schwach lesender Schüler das Wort Robe lesen soll, liest er es oft mit kurzem o, also Robbe, weil er dieses Wort kennt, aber nicht die Leseregel. Weil es mehr Laute als Buchstaben gibt, hier das kurze und das lange o, braucht man einen Hinweis zur Unterscheidung. Bei uns gibt es dafür die gerade beschriebenen Regeln. Irritierend ist dabei, dass man die Kennzeichnung für die Vokallänge, die nicht gesprochen wird, in die nächste Silbe packt.
Offene Silben
Eine Regel, die mir bei der Leseförderung sehr gut gefällt, ist, dass der Vokal am Ende der Silbe gedehnt (lang) klingt (Na-se). Die Silbe ist offen, wenn sie mit einem Vokal endet. Der Vokal kann klingen. Das kann man mit der Silbenkennung sehr gut erklären und damit den Schülern helfen. Z.B. wa-ten wir durch das Wasser, aber wal-ten unseres Amtes. Bei wal-ten verhindert der Konsonant l den langen Klang des Vokals a. Deswegen braucht die Robbe ein zweites b, sonst wäre sie ein Kleidungsstück, die Robe, mit einem langen o.
Silbe ist nicht gleich Wort
Einmal habe ich als Kritik an der Silbenkennung gelesen, dass sie zu falscher Aussprache verführe. Die Silbe Son in Sonne würde zum Sprechen eines langen Vokals verführen, so wie in Wörter wie Bad und Hut. Aber ein einsilbiges Wort ist nicht identisch mit der gleichlautenden Silbe in einem mehrsilbigen Wort. Beispiele: Mus und Mus-ter, Plan und Plan-ke, Tor und Tor-te. In meinen Übungen erscheinen zum Beispiel die Silben eines Wortes nacheinander auf einen Klick oder, wenn nur eine Silbe erscheint, ist das gesamte Wort schon grau hinterlegt zu sehen.
Meine Schüler wissen also immer, ob sie die Silbe eines Wortes oder ein einsilbiges Wort zu lesen haben.
Wo die Silben zu falscher Aussprache verführen, das sind Silbenbildungen, wie zum Beispiel Kü-che. Ich habe schon Schüler übernommen, die sich genau diese falschen Betonungen angeeignet hatten. Ich kennzeichne jetzt lesegerecht Küch-e, was die Leseförderung leichter macht.
Ausnahmen, Ausnahmen ...
Man muss wissen, dass es bei einsilbigen Wörtern auch Ausnahmen gibt. Das Wort der entspricht der Regel, das e wird gedehnt gelesen. Bei dem Wort des ist das e aber kurz, ebenso wie wie das i bei im und in. Bei dem Wort WEG kann, je nach Bedeutung, das e kurz oder lang sein. Der Bus müsste der Aussprache nach ein zweites s haben. Bei Bart und Mond werden die Vokale gedehnt, aufgrund der Regel müssten sie aber kurz gesprochen werden. Usw.
Ansonsten muss man wissen, dass die Regel bei zweisilbigen Wörter nur für solche mit deutscher Herkunft gilt. Wer die Regel zum Beispiel bei den Wörtern Hotel und Lokal anwenden will, verwirrt die Schüler. Und bei mehrsilbigen Wörtern passt die Konsonantenregel sowieso nicht.
Alternative zu Silben: Morpheme
Als Untergliederung von Wörtern kommen neben Silben auch Morpheme in Frage. Ein Morphem ist der kleinste Wortbestandteil mit eigener Bedeutung. Es gibt Anhänger beider Gliederungen. Ich sehe das Thema pragmatisch. Ich kennzeichne so, wie es mir für meine Schüler am besten erscheint und sich beim Üben bewährt. Bei dem Wort laufen könnte man den Wortstamm kennzeichnen, also lauf-en. So machen es manche Trainer. Da meine Schüler hier keine Probleme haben, bleibe ich bei der herkömmlichen Silbengliederung. Bei dem Wort laufen macht der Wortstamm sogar noch Sinn. Aber was ist der Wortstamm von wandern? Kennzeichnet man da wandern oder wand-ern? Und was ist der Worstamm von Muster, Benzin oder Tempo? Ich gestehe, dass mir hier die Erfahrung fehlt. Mir fällt keine bessere als die Silbengliederung ein: wan-dern, Mus-ter, Ben-zin, Tem-po. Damit kommen meine Schüler gut zurecht, und ich brauche keine Änderungen vorzunehmen.