Josef Kraus – Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt – HERBIG, Stuttgart – 2017 – ISBN 978-3-7766-2802-9
Das Vorwort ist überschrieben: „Wider eine Bildungspolitik, die keine Probleme löst, sondern Probleme schafft“. Stichworte sind: Egalisierungswahn, Pisa, Bologna, Erleichterungspädagogik u.a.
Der Autor setzt sich in drei Kapiteln mit falschen Strukturen, falschen Vorgaben und falscher Sprache auseinander, um dann zum Schluss Eltern zu raten, was sie trotz allem tun können.
Im Kapitel über die falschen Strukturen lese ich einen Satz, den ich – so ähnlich - schon öfter in Diskussionen mit Lehrern gesagt habe: „Je niedriger die Hürden in der Schule, desto schwerer fällt es den jungen Leuten, die Hürden im späteren Leben zu überwinden.“ Schöner kann man das Problem der Gefälligkeitspädagogik nicht auf den Punkt bringen. Sehr treffend finde ich auch die „Kampfvokabel Frontalunterricht“. Denn, so wie der Autor schreibt, profitieren gerade die leistungsschwächeren und jüngeren Kinder von einem klar strukturierten Unterricht. Was die Schulnoten anbetrifft, so gefällt mir folgender Satz sehr gut: „Bei etwas mehr Gelassenheit hätten die Kinder auch weniger Nöte mit ihren Erziehern, denn mit den Noten gehen sie ohnehin viel unbefangener um als ihre ´Alten´“. Wunderbar finde ich die Abrechnung mit „Apokalyptikern und Wichtigtuern mit medialem Promi-Faktor“. Jedes Mal, wenn ich etwas von Richard David Precht oder Gerald Hüther lese oder sehe, geht mir Ähnliches durch den Kopf. Die Aussage von Gerald Hüther, dass jedes Kind hochbegabt sei, kontert der Autor mit der Bemerkung: „Wenn jedes Kind hochbegabt sei, dann sei kein Kind hochbegabt.“ Auch mit der Bertelsmann Stiftung beschäftigt sich der Autor ausführlich. Das Thema Kompetenzen ist überschrieben: „Lehrpläne oder Leerpläne“! Ich habe da in meinen Blogbeiträgen auch schon von Kompetenzeritis gesprochen. Zum Schluss wird die Kompetenzpädagogik als eines der „gefährlichsten Trojanischen Pferde deutscher Schulpolitik und Schulpädagogik“ bezeichnet.
Im Kapitel über falsche Vorgaben geht es zuerst um „online oder offline“. Auf Seite 105 heißt es dazu: „Schlicht und einfach: Es bringt nichts!“ Der Autor stellt vielmehr die „Medienmündigkeit“ in den Fokus. Weitere Themen sind das Gymnasium und die Ganztagsschule und - ganz besonders lesenswert – die Inklusion. Was der Autor über die Einmaligkeit des deutschen Förderschulwesens lobend schreibt, kann ich inzwischen durch meinen Einsatz an solchen Schulen nur bestätigen.
Ganz besonders gerne habe ich das Kapitel über „falsche Sprache“ gelesen. Sätze wie „Wer die Sprache beherrscht, durschaut leichter den Missbrauch von Sprache in Reklame und Propaganda.“, gehen runter wie Öl. Oder: „Sprache ist das wichtigste und das einzige humane Instrument der Konfliktlösung. Wo Sprache versagt, da regiert die Faust – im zwischenmenschlichen und im politischen Bereich.“ Und mit Denglisch und der Gender-Sprache geht der Autor – meiner Meinung nach zu Recht – hart ins Gericht. Der Autor setzt sich auch sehr kritisch mit der Entwicklung der Rechtschreibung auseinander, insbesondere mit den Irrungen und Wirrungen der Rechtschreibreform. U.a. wird die „Beliebigkeit von Schreibungen (Variantenschreibungen)“ angeprangert. Was zu tun ist, sagt der Autor in aller Deutlichkeit: „Es gäbe eine besonders wirksame Möglichkeit, die Rechtschreibung der jungen Leute zu verbessern: sie in den Schulen konsequenter zu üben und zu bewerten, anstatt sie zu diskreditieren ...“. Dazu noch die Feststellung: „Kaum eine andere Kulturnation der Welt stattet ihre Sprache schulisch mit so wenig Stunden aus wie die deutsche.“ Schließlich geht es dem Autor dann auch noch um die Verkennung der Bedeutung der Handschrift.
Im letzten Kapitel gibt es dann Ratschläge für Eltern. Die werden dort nicht immer auf fruchtbaren Boden fallen, wie ich aus Erfahrung weiß. Z.B. „Seien Sie Ihren Kindern in puncto Neugier und Lesen ein Vorbild!“ Schön gesagt, aber vielleicht hilft ja der Hinweis auf eine Studie, aus der Folgendes hervorgeht: „Wer Bücher liest, verdient später 21 Prozent mehr.“ Noch ein Rat, der mir gut gefällt: „Der Mensch beginnt nicht mit dem Abitur!“ Schließlich habe ich auch keines.