Der Satz könnte von mir sein, aber es ist der Titel eines Buches von Ingrid Naegele.
Ingrid Naegele, Jedes Kind kann lesen und schreiben lernen - LRS, Legasthenie, Rechtschreibschwäche - Wie Eltern helfen können - Beltz Verlag, 1. Auflage 2011
Frau Naegele spricht nicht mehr von Legasthenie, sondern bezeichnet die „erwartungswidrige Entwicklung der Schriftsprache, ausgelöst durch fehlende oder unpassende Vorstellungen des Kindes über unser alphabetisches Schriftsystem" einfach „nur" als Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS). (Anmerkung: diese Abkürzung bedeutet ansonsten Lese-Rechtschreibschwäche, und wird gemeinhin als die leichtere Form der Legasthenie angesehen. Über die Definition von LRS und Legastehnie werde ich später einen Beitrag in meinem Blog bringen.) Meine Erfahrungen mit dem Thema sind zahlenmäßig noch recht gering, decken sich aber mit denen, die Frau Naegele wissenschaftlich und praktisch fundiert in ihrem Buch darstellt. Ich kann das Buch deshalb den Eltern – auch meiner Schüler – sehr empfehlen. (Ich habe mich bisher überwiegend der Verbesserung der Lesekompetenz meiner Schüler gewidmet, das Buch enthält sehr gute Hinweise auch für die Verbesserung des Schreibens.)
Im Buch finden sich Eingangsfragen, die den Istzustand des Kindes ermitteln helfen. Die Autorin stellt in der Zusammenfassung dieses Kapitels u.a. fest: „Auch gravierende Probleme beim Lesen und Schreiben sind keine Krankheiten!" Die Folgen eines medizinischen Verständnisses der Legasthenie werden folgerichtig als kontraproduktiv dargestellt. Die sogenannten Teilleistungs- und Wahrnehmungsstörungen, von denen ich auch in anderen Büchern gelesen habe, müssen beim medizinischen Ansatz als Ursache für die Krankheit Legasthenie herhalten. Wer der These von Frau Naegele – so wie ich – zustimmt, der muss aber auch wissen, dass etwas unternommen werden muss, um Verbesserungen zu erzielen. Schließlich kann man sich nicht auf eine schicksalhafte oder genetisch bedingte Krankheit berufen.
Ausgangspunkt, Zitat: „Die Gründe, warum eine Reihe von Kindern den Zugang zur Schriftsprache so qualvoll erlebt, sind individuell unterschiedlich, haben aber immer mit fehlender kognitiver Klarheit über unser Schriftsystem oder falschen Vorstellungen darüber zu tun." Frau Naegele stellt fest: „LRS ist keine Beeinträchtigung der Lernfähigkeiten, sondern eine Beeinträchtigung der Lernmöglichkeiten, die dadurch entsteht, dass Kinder keine „kognitive Klarheit" haben."
Auch folgender Satz stimmt mit meinen Erfahrungen überein: „Kinder mit LRS halten sich länger auf den unteren Ebenen der Entwicklung der Schriftsprache auf, was zu vielen Fehlern beim Schreiben und unzureichenden Lesestrategien führt." (Anmerkung: Dazu habe ich in meinem Erfahrungsbericht bereits etwas ausgeführt.)
Einer der vielen nützlichen Tipps für die Eltern ist: „Üben kurz und effektiv: je nach Alter 5-mal eine Viertelstunde bis zwanzig Minuten die Woche". Ich finde, das wäre toll. Es geht aber nur durch Einbeziehung der Eltern in den Förderprozess. (Anmerkung: Mein wöchentliches Training in der Schule könnte durch kurze Telefontrainings unterstützt werden, wenn sich das organisieren lässt.)
Mein Lieblingssatz kommt in diesem Buch auch vor: „Lesen lernt man nur durch Lesen! Schreiben nur durch Schreiben!" Und auch das von mir empfohlene „Lesen und Hören von CD" wird von der Autorin erwähnt. (Anmerkung: Bei der Bücherkiste Emskirchen – siehe Startseite meines Internetauftritts – gibt es so etwas.)
In zwei Punkten möchte ich klarstellende Ausführungen machen.
Frau Naegele hält hält ein Einzelwort-Lesetraining, bei dem die Wörter nicht im Kontext von Sätzen stehen, für nicht hilfreich. In meinen Übungen kommt das vor, aber immer nur im Zusammenhang mit einem Übungsartikel, in dem die Wörter vorkommen. Das ebenfalls nicht empfohlene Training sinnloser Silben und Wörter halte ich in zwei Fällen für sehr nützlich: Wenn ein Schüler generell Probleme mit Silben hat, oder wenn er Buchstaben verwechselt. Mit dem Einzelworttraining von Wörtern aus dem vorher gelesenen Artikel habe ich bei allen meinen Schülern gute Fortschritte erzielt. Seilbenübungen habe ich bisher nur bei wenigen Schülern gebraucht. Die Übungen haben den Schülern auch Erfolgserlebnisse vermittelt. Und was aus meiner Sicht besonders interessant ist: Es wird bei einzelnen Wörtern oder Silben viel weniger geraten als das bei einem Fließtext der Fall ist.
Wichtig ist auch das Schreiben mit der Hand! Ich möchte dazu anmerken, dass viele Schüler damit große Probleme haben, weil in den Schulen das Schreiben nicht mehr richtig geübt wird. Die Folgen werden von Frau Naegele ausführlich beschrieben und Hilfsmöglichkeiten aufgezeigt.
Abschließend noch ein schönes Zitat:
„Sind Fehler wichtig? Ja! Denn aus Fehlern wird man klug, wie schon das Sprichwort sagt." Das sollten wir uns alle merken, nicht nur bei Lese-Rechtschreibschwierigkeiten der Kinder.