Born und Oehler – Lernen mit Grundschulkindern

Armin Born, Claudia Oehler – Lernen mit Grundschulkindern – Praktische Hilfen und erfolgreiche Fördermethoden für Eltern und Lehrer – Kohlhammer, 2017, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage

Auf dieses Buch von Armin Born und Claudia Oeler bin ich durch eine Grundschulrektorin aufmerksam geworden. Nach kurzer Einsichtnahme wollte ich mir das Buch sofort bestellen, musste aber auf die Neuauflage warten. Die ist mir jetzt einen Blogbeitrag wert, weil die Autoren die Probleme punktgenau benennen.

Das Buch bringt gut erklärte Theorie und praktische Handlungsanleitungen, die leicht umgesetzt werden können. Es sollte nicht nur von der anvisierten Zielgruppe, nämlich den Eltern sowie den Lehrern, sondern auch von denjenigen gelesen werden, die für die Gestaltung und Ausstattung des Systems Schule und für die Lehrpläne verantwortlich sind. Die Bedeutung der ersten beiden Grundschulklassen wird von den Autoren überzeugend dargestellt. Und da könnte in der Praxis mehr geschehen.

Die Autoren machen deutlich, dass Training oft im luftleeren Raum erfolgt, weil die Basisfertigkeiten nicht ausreichend automatisiert ablaufen. Das ist genau das Problem, …

… das ich bei allen meinen Schülern beobachten kann. Die grundlegenden Schwierigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen belasten die Schüler enorm: zeitlich, physisch und manchmal auch psychisch. Ein Zugewinn an Fertigkeiten ist nahezu unmöglich. (Siehe meinen Blogbeitrag von 2013: Auf Sand gebaut.)

Die Autoren schreiben, dass sie sich bewusst seien, gerade für Lehrerinnen und Lehrer Gewohntes und als sicher Angenommenes in Frage zu stellen. Mir dagegen, als Quereinsteiger, sprechen sie aus der Seele. Ein höherer Beamter in der Schulbürokratie hat mir einmal in einer Diskussion gesagt, dass ich den Vorteil hätte, nicht von der Reformpädagogik verdorben worden zu sein.

Zu Beginn des Buches befindet sich eine lesenswerte Beschreibung des Istzustandes aus den Blickwinkeln der Eltern, der Lehrer, der Wirtschaft und der psychologisch-medizinischen Fachwelt. Die Autoren scheuen sich auch nicht, klar zu sagen, dass Lernen auch immer mit Arbeit verbunden ist. „Lernen muss erfolgreich sein!“, das ist die Devise der Autoren. Und sie beschreiben die Voraussetzungen und Rahmenbedingen dafür. Ein Satz aus der Zusammenfassung dazu: „Lernen braucht Struktur, Lernen braucht Wiederholung! Nur das ständige Wiederholen führt dazu, dass aus flüchtigem Wissen Können wird.“ Meine Anmerkung: Leider gerät das, auch durch die grassierende Kompetenzeritis, in Vergessenheit.

Im Kapitel 2 geht es um Erkenntnisse der Lernpsychologie. Man erfährt hier Nützliches darüber, wie sinnvoll gelernt werden kann. Es kommt auch auf die emotionale Bewertung des Lerngegenstandes an. Da können auch Trainer einen wichtigen Beitrag leisten. Kapitel 3 befasst sich mit dem Lernen aus Sicht der aktuellen Gehirnforschung. Ich finde diesen Teil für sehr gelungen, meine aber auch, dass die Grundsätze, die ich aus meiner Studienzeit in Erinnerung habe (da war das allerdings nur ein Randthema, Literatur: Frederic Vester), auch heute noch gelten. Wenn man etwas lernen will, muss der Stoff zunächst vereinfacht werden. Es kommt darauf an, dass die einfachen Abläufe richtig sitzen, also automatisiert ablaufen. Das geht nur mit Wiederholungen. Heute wird das oft als überholt angesehen. Dass ich die Basisfertigkeiten so gut beherrsche, verdanke ich auch meiner Urgroßmutter, die mich bei den Hausaufgaben immer mehr Wiederholungen machen ließ, als der Lehrer aufgab. Im Kapitel 4 steht der Teufelskreis im Lernprozess am Anfang. Es wird betont, dass es auf positive Gefühle ankommt und darauf, dass schnell erste Erfolge für die Kinder erlebbar sind. Die Praxisbeispiele dazu erinnern mich an einige meiner Schüler. Im Kapitel 5 werden die Lernmethoden behandelt. Konzentration auf ein Thema, auf der niedrigsten Ebene ansetzen, Lernkärtchen einsetzen, kleine Portionen regelmäßig üben, das sind Stichpunkte aus diesem Kapitel. Einzig skeptisch bin ich, wenn es darum geht, die Eltern einzubeziehen. Das ist sicher wichtig. Mir gelingt das leider nicht immer. Die besprochenen Maßnahmen gehen im Alltag oft unter. Manche Eltern sagen mir auch: »Ja, bei Ihnen macht der/die alles, aber zu Hause …« Die Autoren geben Tipps, was man im Elternhaus tun kann. Besonders gefallen haben mir auch die Ausführungen über das Loben und die Beschreibung der „Fallen“, in die Eltern oft hineintappen. Da werden sicher einige Eltern recht nachdenklich werden. Als externer Trainer übe ich – von Ausnahmen abgesehen – nur einmal pro Woche mit den Kindern. Für ein häufigeres Üben sind die Eltern vonnöten. Für mich ist die Lektüre dieses Buches Anlass, darüber nachzudenken, wie die Eltern besser einbezogen werden können. Zum Einsatz von Lernkärtchen, der von den Autoren beschrieben wird, werde ich die Eltern in Zukunft anleiten.

Aus der Praxis für die Praxis: Kapitel 6, 7 und 8, Förderung bei Schwierigkeiten im Rechen-, Lese- und Rechtschreiblernprozess: Besonders das Kapitel über die Förderung im Rechenlernprozess hat mich sehr interessiert. Vor Kurzen stellte ich bei einer Drittklässlerin während der Leseförderung fest, dass sie auch große Probleme mit Zahlen hat. Vier- oder fünfstellige Zahlen wurde mehr erraten als gelesen. Auf die Frage, was 7 plus 4 ergibt, herrschte Stillschweigen. 4 mal 7 war auch zu schwer. Ich habe Rechenkärtchen in verschiedenen Schwierigkeitsstufen erstellt, die inzwischen auch von meiner Internetseite abgerufen werden können. Dabei habe ich auch auf Anregungen aus dem Buch von Michael Gaidoschik, Rechenschwäche verstehen, Kinder gezielt fördern, zurückgegriffen.

Die Autoren setzen sich in allen drei Kapiteln mit den nicht zielführenden Fördermaßnahmen auseinander. Sie erläutern sehr schön, wie jetzt auch wissenschaftlich mit bildgebenden Verfahren nachgewiesen ist, dass Üben einen Einfluss darauf hat, wie das Gehirn arbeitet. Der Arbeitsspeicher muss entlastet werden, und das geht nur durch Üben. Vielleicht kann ich durch die Gewinnung von Mathepaten für Schulen hier noch einen Beitrag leisten. Allerdings kommt mir im Zusammenhang mit den beschriebenen Schwierigkeiten das Wort „Mathe“ etwas übertrieben vor. Es geht um die einfachsten Rechenschritte. Die Anregungen zur Unterstützung der Kinder sind für mich in allen drei Kapiteln gut nachvollziehbar und sicher für alle Eltern, die ihren Kindern wirksam helfen wollen, ein Gewinn.

Es ist sehr schwierig, am System Schule, am Lehrplan und der Ressourcenzuordnung, etwas zu ändern. Vielleicht gelingt es den Eltern über den Elternbeirat auf die Unterstützung durch Lese- und Rechenpaten, die ja auch von den Autoren gewürdigt wird, schon in den ersten Klassen hinzuwirken. Das wäre wenigstens ein kleiner Beitrag, um die Defizite, die sich auch aus der gesellschaftlichen Entwicklung ergeben, zu vermeiden.

Fazit: ein lesenswertes Buch mit guten Anregungen für Eltern. Auch ehrenamtlichen Lesepaten und -trainern für Grundschulkinder gibt dieses Buch eine Fülle von gut aufbereiteten Hintergrundinformationen und viele Tipps für die Praxis.