Frohes Lernen 1, Ausgabe Bayern, Klett

Normalerweise fördere ich Kinder ab der zweiten Klasse. Eine Förderung schon in der ersten Klasse ist wünschenswert, meist werde ich aber erst in der zweiten angesprochen.

Jetzt unterstütze ich eine Familie bei der Leseförderung eines Erstklässlers. Die Schule arbeitet mit „Frohes Lernen“ vom Klett Verlag. Ich wurde im Dezember angesprochen. Dem Schüler standen zu Beginn der Förderung nur folgende Laute zur Verfügung:

a i m n o r s t u

Vor Weihnachten kamen dann noch e, d und ei dazu.

Mit diesem geringen Lautumfang kann mit meinen bisherigen Übungen nicht gearbeitet werden.

Deshalb setze ich bei diesem Lautumfang – a i m n o r s t u – an und erstelle für jeden weiteren Laut eine neue Übung. Dabei berücksichtige ich vor allem durch Treppenwörter auch, dass manche Schüler dazu neigen, von rechts zu lesen. Die buchstabenweise Anzeige am Bildschirm hilft ebenfalls.

Zum Lehrwerk

Schon der Titel „Frohes Lernen“ machte mich stutzig.

So wie ich es sehe, werden Lesen und Schreiben gemeinsam gelehrt. Man muss aber nicht schreiben können, um zu lesen. Lesenlernen geht viel schneller als Schreibenlernen. Die Zusammenlegung ist kein Effizienzgewinn, sondern es dauert einfach sehr lange, bis die Schüler alle Laute gelernt haben. Manche Übungen kommen mir zudem wie eine Beschäftigungstherapie vor. Das Hauptproblem: Es gibt bis zu einem Jahr nur sehr eingeschränkten Lesestoff.

Im Lehrerband steht, dass man berücksichtigt habe, dass manche Kinder, wenn sie in die Schule kommen, schon mit allen Buchstaben vertraut sind. Warum man dann so lange braucht, bis alle Kinder alle Buchstaben kennen, das verstehe ich nicht. Man müsste sich auf das Lesen konzentrieren und die Schreibübungen gesondert machen. Sinnvoll wäre sowieso, eine verbundene Handschrift von Anfang an einzuüben.

Ich dachte, dass die Anlauttabelle tot sei. Als Schreibtabelle existiert sie in diesem Werk aber immer noch. Ich kann aber nicht feststellen, ob Aufgaben gestellt werden, bei denen auch unbekannte Wörter zu schreiben sind. Das ist ja der eigentliche Zweck der Anlauttabelle. Die Anlauttabelle enthält immer noch das lange Igel-I, das es in deutschen Wörtern nicht gibt. Als Anlaut kommt das ie nicht vor. Das ng, das es als Anlaut auch nicht gibt, wird unter der Tabelle aber platziert. Das nk ist ebenfalls unter der Tabelle, wird aber im Buch nicht extra angesprochen, es läuft ohne Erklärung beim k mit. Das sind Ungereimtheiten, die ich in einem Schulbuch nicht vermutet hätte.

Ich habe noch nicht herausgefunden, wie auf lange und kurze Vokale eingegangen wird. Das ie wird erst sehr spät eingeführt. Die besonderen Doppelvokale werden nicht explizit behandelt. Das „stumme“-h kommt nicht mit den Vokalen, zu denen es gehört, sondern gesondert. In meinen Übungen habe ich die Treppenwörter-Übungen in vier Gruppen aufgeteilt: Wörter mit langem Vokal in der ersten Silbe, Wörter mit kurzem Vokal, Wörter mit Doppelkonsonanten und Wörter mit Doppelvokalen. Das stumme h bringe ich in diesen Übungen immer mit dem Vokal.

Doppelkonsonanten werden, obwohl sie zusammen, als nur einmal zu sprechen sind, auf zwei Silben verteilt. Das machen leider fast alle bekannten Verlage so. Es geht in dieser Phase des Lernens um das Lesen und nicht um die Rechtschreibung.

Auffallend ist, dass beim ng kein Wort eine Silbenkennung hat. Vielleicht ist den Verfassern tatsächlich der Unfug der Aufteilung eines Lautes auf zwei Silben aufgefallen. Außerdem ist beim ng der Pinguin sehr komisch. Den spricht man nicht mit ng aus. Solche Wörter findet man, wenn man bei Google Wörter mit ng sucht.

Ebenfalls ungereimt ist, dass immer wieder in den Texten Buchstaben enthalten sind, die die Schüler noch nicht gelernt haben. Das ist besonders beim Buchstaben f auffallend, wo man auf den Fischers Fritze glaubt, nicht verzichten zu können. Es ist halt sehr schwierig, mit dem eingeschränkten Lautumfang vernünftige Texte anzubieten.