Bei einer Vortragsveranstaltung wollte mich ein Teilnehmer auf einen Fehler in meinen Übungen aufmerksam machen. Es ging um den Satz:
Die Blätter sind bunt.
Ich hatte bunt als Adjektiv bezeichnet. Mein Zuhörer merkte an, dass in dieser Konstellation das Wort bunt kein Adjektiv, sondern ein Adverb wäre. Ich war verblüfft. Wie kam mein Zuhörer darauf? Gehen wir der Frage nach, und beschäftigen uns mit den Wortarten.
Das Adjektiv, auch Eigenschaftswort, sagt per Definition etwas über Personen, Dinge und Begriffe, also über Nomen, aus. Beispiele:
Paul liebt sein schnelles Auto.
Die rote Blüte sieht gut aus.
Die leise Musik gefällt mir.
Paul ist tapfer.
Adverb, auch Umstandswort, bedeutet: zum Verb gehörend. Adverbien sagen etwas über das mit einem Verb benannten Tun aus. Beispiele für Adverbien:
Wir spielen draußen.
Pia kocht gern.
Wir gehen nachher fort.
Paul ist sehr tapfer.
Aber: Adverbien beschreiben nicht nur Verben, sondern auch Adjektive. Beispiel:
Die Blüte ist sehr schön.
Handelt es sich hier noch um ein Adverb? Der Bezug ist kein Verb, sondern ein Adjektiv. In meinem Grammatik-Duden habe ich gelesen, dass Adverbien sich auch auf andere Wortarten als Verben beziehen können. Also, warum verkomplizieren? Adverb ist Adverb!
Und auch bei Adjektiven kommen Zweifel auf, denn Adjektive beschreiben nicht nur Nomen. Sie können auch etwas zu Verben sagen. Beispiele:
Der Spieler kämpft tapfer.
Das Essen schmeckt gut.
Handelt es sich dann noch um Adjektive oder sind die Wörter nun Adverbien, weil sie sich auf Verben beziehen? In meiner Grammatik von PONS steht zum Beispiel, dass alle Adjektive unflektiert auch als Adverbien verwendet werden können. Sie sind dann laut PONS Adjektivadverbien.
Was meint der Duden? Der Grammatik-Duden kennt zwei Adjektivproben.
- Kann man das fragliche Wort zwischen einen Artikel und ein Nomen setzen, dann ist es ein Adjektiv. Also: das bunte
- Bei der anderen Adjektivprobe wird ein Satz mit einem „Kopularverb“ (Hilfsverb) gebildet. Also: Das Blatt ist bunt.
Beim Duden bleibt ein Adjektiv ein Adjektiv, auch wenn es sich auf ein Verb bezieht. Wenn man ein bisschen um die Ecke denkt, dann beschreiben auch in den beiden Beispielen die Wörter tapfer und gut Bezeichnungen, nämlich den Kampf des Spielers und den Geschmack des Essens. Der Duden spricht vom adverbialen Gebrauch eines Adjektivs.
In dem von meinem Zuhörer kritisierte Satz steht das Adjektiv ebenfalls nach einem Verb.
Die Blätter sind bunt.
Vielleicht kommt die Meinung meines Zuhörers daher. Bunt steht nach dem Verb sind. Sind, eine Ableitung von sein, habe ich in meiner Schulzeit als Hilfsverb kennengelernt. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ein Adjektiv dieses Hilfsverb beschreiben könnte.
Wenn man nach der Adjektivprobe des Dudens geht, gibt es bei meinem Beispielsatz keine Zweifel bei der Frage, ob bunt ein Adjektiv oder ein Adverb ist. Da muss man sich nicht akrobatisch verbiegen.
Bei dem Satz
„Der Spieler kämpft tapfer“,
ist die Frage, ob tapfer ein Adjektiv oder ein Adverb ist, keinen Streit wert, Im fraglichen Ausgangssatz meines Artikels würde ich bunt aber nur als Adjektiv akzeptieren.
In meiner Übung Adjektiv oder Adverb im Ordner Verschiedene Deutsch-Übungen gibt es eine Übersicht über die Adverbien:
Den Kern dieser Übersicht habe ich aus einem alten Buch entlehnt, und zwar aus: ABC der deutschen Grammatik – Mit Stichwörtern zur Rechtschreibung und zur Zeichensetzung – Karl-Dieter Bünting und Wolfgang Eichler – Athenäum, 1982
November 2024 – Siegbert Rudolph
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!