„Brauchen wir die Legasthenie?“
Die Autorin des Artikels mit dieser zitierten Überschrift, Frau Professor Renate Valtin, möge mir die Chuzpe verzeihen: Ich bin begeistert, dass eine Wissenschaftlerin meine Meinung vertritt. Der Beitrag hat meinen Entschluss bekräftigt, mich weiter darum zu bemühen, Schüler mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten in Zusammenarbeit mit Schulen zu helfen. Meinen Blog auf dieser Internetseite wollte ich Ende letzten Jahres eigentlich mit folgendem Beitrag starten, habe mich damals aber nicht getraut:
Als Quereinsteiger beim Thema Legasthenie ziehe ich natürlich Parallelen zu meinen bisherigen Erfahrungen. Jeder Mensch hat besondere Begabungen aber auch Gebiete, bei denen er sich schwerer tut als andere. Ich habe mich in …
meiner Jugend ein Jahr lang bemüht, Schwimmen zu lernen. Der Bademeister gab es auf, als er mich, 1,85 m groß, von der Wasserwacht aus einem 1,80 m tiefem Becken herausholen ließ. Erst lange nach dem Schwimmkurs schaffte ich es durch immer wieder neue Versuche. Schließlich wollte ich mich im Wasser sicher bewegen können. Und ich schwimme jetzt ganz brauchbar. Wenn mir nach meinem erfolglosen Schwimmkurs jemand „Natasthenie“ („natare“ für Schwimmen und „asthenie“ für Schwäche, ein Wortkonstrukt, bei dem mir ein guter Freund geholfen hat) bescheinigt hätte, wäre ich heute wahrscheinlich ein Nichtschwimmer. Warum sollte ich auch etwas probieren, für das ich nicht „gebaut“ bin. Aber mit einfachen Übungen im Schwimmbecken und vielen Wiederholungen habe ich es dann doch geschafft.
Frau Professor Valtin zeigte mir jetzt, dass meine Überlegungen durchaus berechtigt waren. Der Artikel von ihr beginnt mit folgenden Worten:
„Es gibt höchst intelligente Personen, die beim Erlernen von komplexen Leistungen besondere und langandauernde Probleme haben, sei es nun Golfspielen, Autofahren, Musizieren oder Rechnen, um nur einige Beispiele zu nennen. Niemand würde auf die Idee kommen, ihnen eine spezifische Störung oder gar krankhafte Defizite zu bescheinigen.“ Sie zeigt, dass das aber doch der Fall ist, und leitet damit über zu dem bayerischen Erlass zur „Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens“ vom 16. 11. 1999. Eine „Bescheinigung über das Vorliegen einer Legasthenie“ muss nicht zu einer „Na-und-Einstellung“ führen, sie kann auch – wie das Beispiel der Mittelschule in Emskirchen zeigt – ein Ansporn sein, den betroffenen Schülern besonders zu helfen.
Frau Valtin unterscheidet bei der Legasthenie zwischen dem medizinischen Ansatz und dem pädagogisch-psychologischen Ansatz. Letzteren vertritt sie ganz konsequent. Sie betrachtet „Lese-Rechtschreibschwierigkeiten nicht als Lernbehinderung oder als Beeinträchtigung der Lernfähigkeit, sondern als Problem einer fehlenden Passung zwischen Lernvoraussetzungen und Lernangeboten“. Und mit meinem Projekt will ich die Schulen dabei unterstützen, das Lernangebot für diese besonderen Fälle verbessern zu können.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!