Langsam und richtig statt schnell und falsch
Langsam und richtig zu lesen, ist besser als schnell mit Fehlern. Das ist einer meiner Grundsätze bei der Leseförderung! Zu bald aufs Tempo zu drücken, führt erfahrungsgemäß zum Raten und schludrigem Lesen. Ich frage meine Schüler bei Lesefehlern, die das Verständnis des Textes blockieren, ob sie verstanden haben, was sie gerade von sich gegeben haben. Ich bringe ihnen bei, immer dann von selbst neu anzusetzen, zum Beispiel beim Anfang des Wortes oder Satzes, wenn sie den Sinn des Gelesenen nicht erkennen.
In den ersten vier Klassenstufen gelten folgende Werte für gute Leser:
Klasse 1 50 bis 80 Wörter
Klasse 2 80 bis 120 Wörter
Klasse 3 120 bis 180 Wörter
Klasse 4 150 bis 200 Wörter
(Quelle: Link ganz unten)
Dabei sollten möglichst wenig Lesefehler, vor allem keine sinnentstellenden gemacht werden. Meine Schüler haben, wenn ich das Training mit ihnen beende, sich zwar deutlich verbessert, erreichen die oben genannten Werte aber nicht immer. Dafür lesen sie weitgehend ohne Verständnisfehler und verbessern sich selbst. Steigerungen der Lesegeschwindigkeit können auch zu Hause in „Eigenregie“ erzielt werden.
Hilfreich ist es, ein Buch, besser Bücher zu lesen und dabei die Hinweise zum Textverständnis, die ich oben erwähnt habe, zu beachten.
Zur Förderung des flüssigeren Lesens eigenen sich vor allem zwei Techniken, das Tandem- und das Dialoglesen, die aber leider über Zoom nur unzureichend funktionieren, weil es zu Verzögerungen in der Übertragung kommt und weil man das Kind nicht gut im Blick hat. Deshalb empfehle ich diese Trainingsformen – auch bei meinen Schülern – den Eltern immer dann, wenn hinreichend richtig gelesen wird, aber noch zu langsam und mit vielen eigenen Verbesserungen, die viel Zeit kosten. Für beide Techniken gilt, dass es nicht darauf ankommt, schnell zu lesen. Die Sicherheit und die Flüssigkeit sollen verbessert werden. Die schnellere Lesegeschwindigkeit kommt von selbst durch das Üben, schon durch den Wegfall der zeitraubenden Anläufe bei Lesepassagen, die für das Kind noch schwierig sind. Manchmal sind die Anläufe nur deswegen notwendig, weil die Schüler vorausgedacht haben, und verdutzt sind, weil der Text ganz anders weitergeht, als von ihm erwartet. Wenn aufs Tempo gedrückt wird, werden solche Fehler geradezu erzwungen.
Tandemlesen
Beim Tandemlesen lesen zwei, der Trainer und der Schüler. Der Trainer mit etwas gedämpfter Stimme und an die Fertigkeiten des Schülers angepasster Geschwindigkeit. Wichtig sind Wiederholungen. Ich empfehle dafür eher kürzere Einheiten, also z.B. einen langen Satz, mehrere kurze Sätze oder Absätze. Bei der Wiederholung liest das Kind allein. Schwierige Passagen, auch einzelne Wörter, können auch mehrmals wiederholt werden. Wichtig ist, dass bei den Wiederholungen gelesen und nicht nur memoriert wird.
Literatur dazu: Auer – Grundschule – Andreas Barnieske – In Lautlesetandems die Leseflüssigkeit trainieren – ISBN 978-3-403-08173-9 (siehe Fachliteratur)
Dialoglesen
Hier wird abwechselnd gelesen. Es gibt dafür Texte mit Rollen, aber man kann jeden Text dafür nehmen. Zum Beispiel liest der Trainer den ersten Satz, der Schüler den zweiten usw. Man kann aber auch beliebig „den Stab“ an den Schüler geben und ihn sich wieder holen. Wichtig ist, dass der Schüler die Passagen des Trainers im Kopf mitliest. Um das sicherzustellen, könnte man das Kind auffordern, mit dem Finger dem Text zu folgen, wenn der Trainer liest. Oder der Trainer verstummt unerwartet, so dass der Schüler, der dann weiterlesen soll, wirklich mitlesen muss. Auch bei dieser Technik muss die Geschwindigkeit den Fertigkeiten des Schülers angepasst werden. Und selbstverständlich sind auch beim Dialoglesen Wiederholungen sinnvoll.
Lesekoch-Übungen zum Tandem- und Dialoglesen: Für diese Trainingsformen kann man Wunschbücher der Kinder nehmen. Es eigenen sich aber auch meine Texte aus den Ordnern „Klasse 2+“ und „Klasse 3+“. Die Verständnis- und Wiederholungsübungen kann man weglassen oder nur einzelne herauspicken. Man kann die Textseiten der Übungen ausdrucken oder am PC gemeinsam lesen. Auf diese Weise hat man viele kurze, altersgerechte und abwechslungsreiche Übungseinheiten.
Weitere Möglichkeiten, die Lesegeschwindigkeit zu steigern
Blitzlesen
Blitzlesen ist eine gute Übungsmöglichkeit für schnellere Worterkennung. Bei mir gibt es fast bei jeder Übungseinheit zur Wiederholung einiger Wörter eine Blitzleseübung. Spezielle Blitzleseübungen mit den Wortschätzen der Klassen 2 und Klasse 3 findet man in den Download-Ordnern. Dabei gibt es auch eine Möglichkeit, die Wörter kurz aufblitzen zu lassen und danach auf Klick das Wort noch einmal zu zeigen. Eine besonders anspruchsvolle Blitzleseübung, das Blitzlesen mit Variationen (Ordner Ratetechnik). Dabei kommen Wörter vor, die sich sehr ähnlich sind. Hier muss man also genau hinschauen.
Zusammengesetzte Nomen üben
Das sind oft Stolperquellen beim Lesen. Spezielle Übungen dazu gibt es im Ordner Symptome/Komposita.
Mit Wortkarten üben
Blitzlesen kann man auch mit Wortkarten machen. Man wird durch mehrmaliges Wiederholen mit den Wörtern vertraut und damit schneller.
Wortkarten für die Leseförderung gibt es z.B. bei meiner Netzwerkkollegin Diana Rohrbeck.
Weitere Informationen zum Thema Lesegeschwindigkeit und zur Leseanalyse gibt es bei meiner Netzwerkkollegin Dina Beneken
Juli 2023 – Siegbert Rudolph
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1 Kommentar, übernommen aus meiner bisherigen Internetseite
26 Juli 2023 09:31 gepostet von Diana Rohrbeck
Vielen Dank für diesen wertvollen Beitrag zum Thema Lesegeschwindigkeit! Es käme auch kein Mensch auf die Idee, beim Brustkraulen zuerst auf Tempo und im zweiten Schritt auf Technik zu setzen ?♀️ Und manchmal ist Lesen nichts anderes als eine Sportart ?
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