Legasthenie ist nicht genug
Gefordert werden von der Bayerischen Staatsregierung jetzt in einem Antrag auch Richtlinien zur Berücksichtigung der Dyskalkulie, ähnlich wie bei der Legasthenie. Die Begründung hat es in sich. „Von Dyskalkulie spricht man, wenn anhaltende Schwierigkeiten im Erfassen rechnerischer Sachverhalte, im Umgang mit Zahlen und in der Bewältigung von Rechentechniken vorliegen, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar sind.“ 10 bis 15 Prozent der Kinder seien davon betroffen, heißt es im Antrag. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Wissenschaft über die Ursachen noch kein einheitliches Bild verschaffen konnte, sich aber einig sei, „dass Förderung im vorschulischen Bereich sowie fundierter Mathematik-Unterricht in der Grundschule Probleme gar nicht erst entstehen lassen ließen.“ Und jetzt frage ich mich, ob ich an meinem Verstand zweifeln muss.
Wenn sich die Wissenschaft darüber einig ist, dass ein fundierter Mathematik-Unterricht das Problem gar nicht erst entstehen ließe, dann ist doch gerade eine unangemessene Beschulung die Ursache der Dyskalkulie. Demnach dürfte bei keinem Kind Dyskalkulie als Teilleistungsstörung anerkannt werden.
Unabhängig davon ist aber die Forderung nach fundierter Förderung in der Grundschule zu unterstützen. Die Grundschule ist die wichtigste Schulart, weil sie für das Fundament zuständig ist, auf dem die anderen Schularten aufbauen. Wann setzt sich diese Einsicht durch? Die wichtigsten Forderungen: Mehr Lehrer, kleinere Klassen und nicht zu viel in die Grundschule hineinpacken. Von der Grundschule wird auch immer mehr gefordert, weil bei vielen Kindern zu Hause nicht mehr gefördert wird. Das hat zumindest teilweise auch Ursachen, die in unserer allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung liegen.
Und die Moral von der Geschichte: Die Ursachen der Probleme müssen beseitigt werden, dann bräuchte man auch keine Richtlinien für Teilleistungsstörungen. Statt Richtlinien für Teilleistungsstörungen zu entwerfen, sollte man lieber den betroffenen Kindern entsprechende Förderung gewähren. Sie können das, was versäumt wurde, nachholen, wenn auch mit viel Zeitaufwand. So wie die Zahl der LRS-Schüler und der Legastheniker wächst, wird auch die Zahl der „Dyskalkulierer“ wachsen, wenn nur am Symptom herumkuriert wird. Vielleicht führt man für die Betroffenen ja auch den Begriff „Dyskalkulierte“ ein.
Bleibt noch eine Frage: Was kommt nach Legasthenie und Dyskalkulie als nächstes?
Siegbert Rudolph
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