Machen uns Computer wirklich dumm?
Die Frage ist m.E., ob uns Computer wirklich dumm machen, oder ob es uns oft an der nötigen Medienkompetenz fehlt?
Über das Buch von Professor Manfred Spitzer habe ich bereits etliche Besprechungen gelesen, die kaum ein gutes Haar an den Ausführungen des Autors lassen. Ich habe diese Beiträge alle wohlwollend gelesen, schließlich arbeite ich sehr viel mit dem Computer und nutze ihn ziemlich stark. Und ich denke, dass er mich effizienter und keineswegs dümmer macht, als ich vielleicht schon bin. Da ich den Computer auch zum Verbessern der Lesekompetenz meiner Schüler einsetze, und damit gute Fortschritte erziele, ging ich besonders kritisch an diese Lektüre heran.
Ich sehe es wie Professor Dieter Kempf, mein Vorstandskollege aus meiner DATEV-Zeit. Er sagt in der FAZ vom 28. September 2012: „Computer machen nicht per se dumm oder schlau, genauso wenig wie Fernseher, Zeitungen oder Bücher. Auch Literatur kann verdummen und nicht jede Zeitschrift macht ihre Leser klüger. Es kommt auf den Inhalt und die Nutzung an – wie beim Computer.“ Ich habe dann aber – zu meinem eigenen Erstaunen – auch bei Professor Spitzer das herausgelesen, was Professor Kempf – siehe Zitat oben – schreibt.
Es ist bei Professor Spitzer und bei seinen Kritikern oft von Medienkompetenz die Rede. Das Wort Kompetenz bedeutet bekanntlich so viel wie Zuständigkeit, Befugnis oder die Fähigkeit bzw. Souveränität auf einem bestimmten Gebiet. Bei der sogenannten Medienkompetenz geht es in der Diskussion wohl eher um die letztgenannte Interpretation, den souveränen Umgang mit Medien. Was wird hier unter Medien verstanden? Der Computer kann nicht gemeint sein, der ist Hardware und nur Mittel zum Zweck. Mit folgender Passage bringt Professor Spitzer das Problem auf den Punkt: „Gewiss, man kann am PC Vokabeln lernen, denn er ist viel geduldiger als ein Mensch. Das Dumme ist nur: Kaum ein Zwölfjähriger verwendet den Computer dafür. Stattdessen wir geballert und anderer verdummender und aggressiosfördernder Unfug angestellt.“ Mir fällt da ein, wie zum 10. Geburtstag meiner Tochter ein Onkel als Geburtstagsgeschenk einen tollen Fernseher für ihr Kinderzimmer mitbrachte. Den nahm er wieder mit nach Hause, meine Tochter hat das schneller eingesehen und akzeptiert als der Onkel damals. Und so hätte ich das heute mit einer Playstation auch gemacht. Möglicherweise hätte ich die Playstation aber auch immer zusammen mit der Tochter benutzt bzw. den Gebrauch strikt reglementiert. Dazu hätte ich die vielen wissenschaftlichen Studien nicht gebraucht, die Professor Spitzer zitiert. Aber wirklich schlimm finde ich, dass ein Kulturstaatsminister sich für eine Laudatio auf ein Killerspiel hergibt und damit vielen Eltern völlig falsche Signale gibt. Da fehlt es an Medienkompetenz, und zwar erheblich.
Wenn es Professor Spitzer darum geht, den Kindern in unserer Gesellschaft den richtigen Umgang mit den Medien zu vermitteln, dann stimme ich ihm zu. Kinder brauchen erst Kompetenzen auf anderen Gebieten bzw. brauchen Anleitungen zum Umgang mit den Medien, die auch restriktiv sein können und sogar müssen. Leider ist das in der Wirklichkeit oft anders. Wichtig ist die Medienkompetenz der Erwachsenen, der Pädagogen und der Eltern.
Aufgrund einiger Beispiele kann man schon meinen, Professor Spitzer verteufelt den Computereinsatz generell, z.B. wenn es um das Navigationssystem im Auto geht. Was mich betrifft, so merke ich nicht, dass ich dümmer werde, wenn ich mein Navigationsgerät benutze. Es hilft mir Zeit zu sparen und macht mich beim Autofahren sicherer. Und ob ich etwas in Google recherchiere oder in meiner umfangreichen Fachbibliothek, das macht für mich kaum einen Unterschied. Bloßes Nachsehen irgendwo führt normalerweise nicht zu einer dauerhaften Speicherung in meinem Gehirn. Wissen muss ich mir, wie wir wahrscheinlich alle, erarbeiten.
Ich finde das Buch lesenswert. Es macht deutlich, dass wir uns als Erwachsene um Medienkompetenz kümmern müssen, um unsere Kinder oder Schutzbefohlenen richtig zu leiten. Aber was man unter Medienkompetenz genau versteht, darüber wird wohl noch mehr gestritten werden. Der Computer kann als Werkzeug eingesetzt werden, für wen und was auch immer. Da kann er Nutzen bringen. Wenn er zur Unterhaltung eingesetzt wird, kommt es auf den Inhalt und die Dosierung an – so wie sonst im Leben auch. Kinder brauchen Anleitung und Anerkennung. Schlimm, wenn sie sich die Anerkennung in Medien oder gar von einem Killerprogramm holen müssen.
Manfred Spitzer, Digitale Demenz, 2012 Droemer Verlag, ISBN 978-3-426-27603-7
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