Silbenklatschen
„Klatsche das Wort in Silben, dann hörst Du den doppelten Konsonanten!“ Das hören Schüler oft. Bei Lehrern und Trainern ist diese Technik zur Erkennung der Doppelkonsonanten weit verbreitet und sehr beliebt. Manchmal werden die Silben auch geschwungen. Aber wie funktionieren diese Regeln denn?
Kurz und knackig formuliert: Als Analyse zur Rechtschreibung unbekannter Wörter überhaupt nicht, als Merkhilfe zur Rechtschreibung aber schon.
Wie würde ein Kind, das das Wort Sattel nicht kennt, klatschen, wenn es die Silbenbildung noch nicht kennt?
Gesprochen wird der doppelte Konsonant so, als stünde er nur einmal da. Sat-tel würde ein Kind nur klatschen, wenn es die Silbenbildung des Wortes schon mal gelernt hat. Oder, wenn es in der Lage wäre, anhand des kurzen Vokals zu erkennen, dass da zwei Mitlaute folgen müssen.
Viele Lehrer und Trainer schwören auf das Silbenklatschen. Ich habe die Mitlautverdoppelung noch nie mit Silbenklatschen erklärt. Aber was sage ich einer Schülerin, die gerade die Mitlautverdoppelung in der Schule lernt und als Erklärung dazu das Silbenklatschen bekommt?
Meine Schülerin hat von mir gelernt, dass Silbenklatschen eine gute Merkhilfe für die Wörter mit Doppelkonsonanten ist. Wer mit Silbenklatschen arbeitet, macht die Wörter mit Doppelkonsonanten praktisch zu Merkwörtern. Das Silbenklatschen ist eine Gedächtnisstütze. Damit war ein Konflikt mit der Schule vermieden und die Schülerin zufrieden.
Am Anfang meiner Fördertätigkeit habe ich die Silbenregel, die im bayerischen LehrplanPlus neben der Konsonantenregel vorgeschrieben ist, auch angewendet. Sie ist ja auch zu schön! Es lässt sich so wunderbar erklären, dass der doppelte Konsonant in der ersten Silbe dem Vokal den Platz zum Klingen nimmt. Inzwischen lehre ich diese Regel nicht mehr, denn sie ist zu verwirrend. Es gibt Ausnahmen über Ausnahmen, und zwar bedingt durch die Silben, die im Duden für die Worttrennung vorgesehen sind. Warum alle Lehrpläne und in der Folge auch die Schulbücher diese für das Lesen und die Rechtschreibung teilweise ungeeignete Silbenbildung übernehmen, verstehe ich nicht. Bei der Silbenkennung, die ich in meinen Leseübungen vornehme, enden offene Silben immer mit einem Konsonanten und Laute werden nicht auseinandergerissen. Ich arbeite bei Doppelkonsonanten nur noch mit der Konsonantenregel.
Silbenregel: Wenn die erste Silbe mit einem Vokal endet, zum Beispiel bei Wa-de, dann ist sie offen. Der Vokal wird deshalb gedehnt. Bei einer geschlossenen Silbe, z.B. bei Wän-de, stoppt der Mitlaut den gedehnten Klang des Vokals. Bei Was-ser wird der Konsonant verdoppelt, um die Silbe zu schließen. Aber: Schne-cke, wa-schen, ko-chen usw. Da verunsichert die Klatscherei!
Konsonantenregel: Es kommt auf die Anzahl der Konsonanten nach dem Vokal der ersten Silbe an: Hört oder schreibt man nur einen, klingt der Vokal gedehnt, z.B. bei Wade. Nach einem kurzen Vokal müssen mindestens zwei Konsonanten kommen, zum Beispiel bei dem Wort Wände. Da man beim Wort Wasser, bei dem das a kurz klingt, nur ein s hört, muss man es verdoppeln, um die Regel zu erfüllen. Das Wort könnte sonst nicht richtig gelesen werden.
Ob ein Vokal kurz oder gedehnt auszusprechen ist, sieht man ihm nicht an. Man muss darauf achten, was nach ihm kommt: ein Mitlaut oder deren mehrere. Das ist für noch schwache Leser nicht einfach, denn sie müssen vorausschauen. In anderen Sprachen gibt es Zeichen, die auf oder unter den Buchstaben gesetzt werden. In manchen deutschen Lehrbüchern wird bei kurzen Vokalen ein Punkt und bei langen ein Strich unter den Vokal gesetzt, um das Lesen zu erleichtern.
Ein Lesebeispiel aus meinen Übungen: Der Lautsprecher liest den Text so vor, wie er geschrieben steht, in der ersten Zeile also „Bäker“ mit lange ä und „Nusseke“ mit langem e.
Es gab allerdings doch noch ein Problem bei meiner Schülerin: Bei Wörtern wie „Winter“, oder „Kante“ war sie unsicher. Sie merkte, dass der Vokal kurz ist, und meinte, sie müsse das n verdoppeln. Beim Hören zu erkennen, dass schon zwei Mitlaute vorhanden sind, machte ihr Probleme. Wir haben dann einfach das geschriebene Wort angesehen, und ich habe sie gefragt, wie viele Mitlaute (ohne Verdoppelung) nach dem Vokal der ersten Silbe stehen. Und dann war schnell klar, dass schon zwei Mitlaute vorhanden sind. Und schon war die Rechtschreibfrage gelöst. „Winnter“ und „Kannte“ wären eindeutig falsch.
Aufpassen muss man bei Verben, die nicht in der Grundform stehen. Beispiel: müssen, musste, gemusst. Bei musste und gemusst sind nach dem kurzen u bereits zwei Mitlaute zu hören. Es wird aber die Verdoppelung der Grundform übernommen. Das musste ich auch meiner Schülerin erklären.
Apropos Ausnahmen: Die gibt es beim Lesen und Rechtschreiben zuhauf. Wenn ein Leseanfänger das Wort „Mond“ mit kurzem o liest, weil er sich genau an die Regel hält, wird dieses Wort ein paarmal als Ausnahme geübt, genau wie Bart oder Geste.
Umgekehrt kommen nach kurzem Vokal nicht immer zwei Konsonanten. Die Regel gilt nämlich nur für Wörter, die aus unserer Sprache stammen. Limonade und Nikolaus haben zwar ein kurzes i, aber keine Mitlautverdoppelung, weil es ursprünglich keine deutschen Wörter waren. Und die Schokolade haben wir auch nicht erfunden, sie kam über die Niederlande und Mittelamerika zu uns, weshalb auf das kurze o nur ein k und kein ck folgt. Die Buchstabenfolgen „ck“ und „tz“ sind nämlich, und das ist vielen Schülern gar nicht bewusst, Sonderformen der Mitlautverdoppelung. Deswegen sind sie erstaunt, wenn man ihnen erklärt, warum „Heitzung“ falsch geschrieben ist. Nach einem langen Vokal (z.B. ei) gibt es keine Verdoppelung, also auch kein „tz“.
Wenn man beim Lesen schon konsequent auf die Mitlautverdoppelung achtet, und entsprechende Leseübungen in den Leselernprozess einbaut, verliert die Mitlautverdoppelung ihren Schrecken. Deswegen füge ich schon seit längerer Zeit nach und nach entsprechende Aufgaben in meine Leseübungen ein.
Beim Wort Himmel zeige ich, dass die beiden Konsonanten den Vokal beeinflussen. Ganz rechts wird das Wort mit nur einem m gezeigt und gesprochen.
Die Ursache der Probleme: Die Schwierigkeiten vieler Schüler entstehen, weil die Kinder sehr früh beginnen zu schreiben, nämlich bevor sie es können, und zwar sowohl was den handwerklichen Schreibvorgang betrifft als auch die Rechtschreibung. Klar, es gibt auch heute viele Schüler mit einer vernünftigen Rechtschreibung, aber es gibt zu viele mit einer schlechten. Das haben Dorothea Thomé & Günther Thomé in ihrem Buch „Ratgeber Rechtschreibprobleme LRS/Legasthenie – Erfahrungsberichte Perspektiven Auswege“ schon 2010 festgestellt. Zitat: „Wenn man etwa dreißig bis vierzig Jahre alte Maßstäbe an die heutigen Rechtschreibleistungen anlegen würde, könnte man gut die Hälfte unserer Schüler als rechtschreibschwach bezeichnen.“. Das frühe freie Schreiben nach der Anlauttabelle spielt da eine wichtige Rolle. Die Schüler müssen so schreiben, bzw. malen oder kritzeln, wie sie die Wörter hören. Die Lehrkraft soll den Schülern dann die Unterschiede zwischen der Schreibung der Schüler und der regelgerechten Schreibweise zeigen. Bei meinen Schülern bin ich nicht in der Lage, die Rechtschreibung aufgrund der kindlichen Texte systematisch zu erklären. Da müsste ich in einem Text fast alle Rechtschreibregeln behandeln. Das ist zu viel. Hinzu kommt, dass viele Kinder mit dem genauen Hören ein Problem haben. Die Frage, ob der Vokal kurz oder lang klingt, können sie nicht sicher beantworten. Aber man kann die Erklärung auf der vom Schüler geschriebenen Buchstabenfolge aufsetzen. Deswegen spreche ich bei der Mitlautverdoppelung in erster Linie von einer Leseregel! Zu Papier gebracht wird Text schließlich nur deshalb, damit ihn später jemand lesen kann.
Ursprünglich geschrieben im Dezember 2020. Neu gefasst im Mai 2024.
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