Rechtschreiberwerb ohne Ende
„Der Rechtschreiberwerb ist ein langwieriger, zeitaufwendiger Prozess, der zum Ende der Grundschulzeit nicht annähernd beendet ist, sondern bei den meisten Lernenden noch weit über die Sekundarstufe hinausreicht.“ Das Zitat stammt aus einem Aufsatz (s.u.), den ich vor kurzem gelesen habe. Die Feststellung ist sicher für viele tröstlich. Ohne meine im Ruhestand begonnene Rechtschreibförderung hätte ich den Satz allerdings nicht verstanden. Die Rechtschreibung wird heute nämlich ganz anders gelehrt als zu meiner Schulzeit. Während wir die Rechtschreibung induktiv erlernten, durch das Schreiben vieler Beispiele, setzt man heute auf Deduktion, auf die Anwendung von Regeln. Aber unser Gehirn lernt nach wie vor lieber induktiv.
Vom induktiven zum deduktiven Lernen
Dr. Hans-Georg Müller, Dozent an der Universität Potsdam, stellt in seinem Artikel – siehe unten – fest:
„Die neurologische Lernforschung der letzten Jahrzehnte hat zeigen können, dass die wesentlichen Lernprozesse des menschlichen Gehirns auf Induktion beruhen, sprich: Wir sind physiologisch ausgezeichnet darauf vorbereitet, aus einer Vielzahl von Beispielerfahrungen auf eine allgemeine Regel zu schließen, welche fortan unser Verhalten steuert (vgl. etwa Spitzer 2014, Rösler 2011).“
Genauso haben wir in meiner Grundschulzeit (ab 1950) die Rechtschreibung gelernt! Die heutige Lehre in der Rechtschreibung beruht dagegen auf Deduktion, die man wohl für effizienter hält! Da wurde, so vermute ich, nicht beachtet, dass es um kleine Kinder geht. Ähnlich war es, als man die lateinischen Begriffe für die Wortarten in der Grundschule einführte, was abstraktes Denken voraussetzt. Man lehrt heute Rechtschreibregeln, und die Kinder sollen von der Regel auf den Einzelfall schließen. Hörst du „schp“, schreibst du „sp“! Hörst du „eu“, prüfe, ob es ein verwandtes Wort mit „au“ gibt. Wenn ja, schreibst du „äu“. Wenn es um die Säule geht, dürfte es schwierig werden. Und wenn man den Prozess bei einem Wort einmal erfolgreich erledigt hat, ist nicht sicher, dass man sich beim nächsten Mal daran erinnert.
Wenn ich meine alten Schulhefte ansehe, ich habe noch eines aus der dritten Klasse der damaligen Volksschule, dann stelle ich fest, dass ich – siehe Abbildung – in einem Aufsatz mit 190 Wörtern (nur) 6 Fehler hatte. Eigentlich waren es sogar nur 4, weil ich Stunde und Kaffee zweimal gleich falsch geschrieben hatte. Das Ergebnis war zwar gut, aber keineswegs ein Ausreißer. Das Beispiel zeigt, dass die damalige Methode funktionierte, auch wenn sich das viele Lehrer und Trainer heute gar nicht vorstellen können.
Richtig schreiben ohne Rechtschreibregeln?
Tatsächlich habe ich mir die Rechtschreibregeln erst im Ruhestand erarbeitet, und zwar dann, als ich mit der Rechtschreibförderung begonnen habe. Ich habe mir die Aufgaben aus dem qualifizierenden Hauptschulabschluss (so hieß der damals) für Deutsch besorgt. Bei etlichen Aufgaben bin ich krachend gescheitert, zum Beispiel als ich begründen sollte, warum Hund mit d und nicht mit t geschrieben wird. Wir hatten die Regel der Auslautverlängerung nie gelernt. Mir war auch nicht bewusst, dass man das Auslaut-d als t hört. Ich habe dann alle Rechtschreibregeln durchgearbeitet, eigene Übungen dazu entwickelt, und kenne die Theorie inzwischen sehr gut. In einer Übergangszeit haben mich die Regeln verunsichert, nämlich bei den vielen Ausnahmen, die es von den Regeln gibt. In diesem Zusammenhang ist ein Satz im Artikel von Dr. Müller besonders interessant:
„Gerade sichere Rechtschreibende berichten daher oft, dass sie bei orthografischen Entscheidungen ihrem Gefühl folgen, was neurologisch betrachtet nichts anderes bedeutet, als dass sie sich auf ihre induktiv erworbenen Wissensstrukturen verlassen.“
Und diese Wissensstrukturen wurden bei mir gestört, als sich mein neu erworbenes Regelwissen bei den vielen Ausnahmeschreibungen meldete, und mich verwirrte. Erfahrene Rechtschreiber wissen, wann sie im Duden nachsehen müssen. Das sagt ihnen auch ihr durch Induktion geschultes Gefühl.
Rechtschreibung erfährt zu wenig Aufmerksamkeit!
Der Autor macht die Feststellung, dass sich viele Schüler über Jahre hinweg angewöhnt haben, der Richtigschreibung von Wörtern und Sätzen zu wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Meine Netzwerkkollegin Claudia Völkening meint zur gleichen Thematik:
„Häufig wird bereits in jungen Jahren nicht klar genug herausgestellt, warum Rechtschreibung wichtig ist. Gerade für hochbegabte Personen ist Relevanz wichtig. Bei uns wird in Klasse eins und zwei noch häufig so geschrieben, wie es jedem gefällt. Hochbegabte haben dann zig Varianten im Kopf, wie ein Wort geschrieben werden könnte und dazu die Gewissheit: eigentlich ist es egal. Da fällt es nicht nur hochbegabten Kindern schwer, Rechtschreibung plötzlich wichtig zu finden.“
Einer meiner Schüler hat mir einmal gesagt, als ich ihn auf ein fehlendes h in einem Wort aufmerksam machte: „Was willst du denn, du hast es doch lesen können!“ Hinzu kommt, dass man sich die ersten Erfahrungen mit einer Aufgabe am tiefsten einprägt, hier also das Schreiben nach Gehör. Schließlich hat das ein paar Jahre gut funktioniert.
In Internetforen sieht man oft, dass richtig zu schreiben auch für viele Erwachsene nicht relevant genug ist, um sich dafür anzustrengen. Insbesondere die sozialen Medien verführen zur Oberflächlichkeit. Es wird zunehmend auch oberflächlicher gelesen. Man muss nicht jeden Buchstaben zur Kenntnis nehmen, wenn man den Sinn des Textes aufnehmen will. Und ob sie die Endungen deklinierter oder konjugierter Wörter immer richtig lesen, das ist meinen Schülern oft piepegal.
Im Duden gibt es immer mehr Wahlmöglichkeiten für die richtige Schreibung. Mir fällt das besonders bei adverbialen Bestimmungen auf. Früher wurden die grundsätzlich kleingeschrieben, zum Beispiel „im voraus“. Heute muss „im Voraus“ geschrieben werden, obwohl es sich um kein Nomen handelt. Das war halt eine sehr häufige Falschschreibung, die die richtige Schreibweise verdrängt hat. Andere adverbiale Bestimmungen können entweder groß- oder kleingeschrieben oder müssen laut Duden kleingeschrieben werden. Sprache lebt! Aber auch hier wird deutlich, dass Regeln nicht mehr so wichtig genommen werden müssen.
Auf die Grundschule kommt es an!
Der Autor gibt „didaktische Hinweise für die Sekundarstufe“. Da muss tatsächlich viel nachgearbeitet werden. Die Probleme werden aber in der Grundschule generiert. Heute spricht man von Rechtschreibfertigkeiten auf dem Niveau einer bestimmten Klassenstufe. Das wurde besonders plakativ in der Fernsehserie des ZDF „Buchstäblich leben“ herausgestellt. (Darüber habe ich in einem Blog berichtet.) Die Protagonisten hatten sich alle verbessert, aber viele waren noch nicht perfekt und beispielsweise auf der Stufe eines Zweit- oder Drittklässlers oder allgemein, eines Grundschülers. Bestimmte Stufen der Rechtschreibung gab es in meiner Schulzeit nicht. Wir haben in den ersten beiden Klassen, was mir erst durch den Artikel von Dr. Hans-Georg Müller bewusst wurde, induktiv gelernt: Wir haben viel abgeschrieben und falsch geschriebene Wörter wiederholt richtig geschrieben. Erst danach haben wir eigene Texte verfasst, dann aber mit nur wenigen Rechtschreibfehlern, ohne dass man uns mit Rechtschreibregeln traktiert hatte.
Die Rechtschreibleistungen lassen gravierend nach!
Schon im Jahre 2010 schrieben Dr. Dorothea Thomé und Prof. Günther Thomé in ihrem Ratgeber Rechtschreibprobleme LRS/Legasthenie (isb Institut für sprachliche Bildung Oldenburg):
„Wenn man etwa dreißig Jahre alte Maßstäbe an die heutigen Rechtschreibleistungen anlegen würde, könnte man gut die Hälfte unserer Schüler als rechtschreibschwach bezeichnen!“
Der Beitrag von Dr. Hans-Georg Müller macht deutlich, woran das unter anderem liegt. Die heutige Rechtschreiblehre entspricht, wie Dr. Müller ausführt, nicht mehr unserem natürlichen Lernprozess! Ich meine zudem, wie oben ausgeführt, dass die Rechtschreibung an Bedeutung verliert. Leider!
Meine Ursachenanalyse
Alles fing damit an, dass die Kinder möglichst früh eigene Texte verfassen sollten, sie sollten kreativ sein. Und man wollte ihnen mühsame, auf Wiederholung basierende Lernprozesse, die als Pauken verschrien waren, ersparen. Die Anlauttabelle von Jürgen Reichen spielte dabei eine unrühmliche Rolle. Das frühe, freie Schreiben ging aber nur, wenn man auf das Einüben einer verbundenen Handschrift und auf die korrekte Schreibung verzichtete. Weil Erwachsene sowieso schmieren, hat man das Fach Schönschreiben, das auch zur Automatisierung der Schrift beitrug, abgeschafft. Und man dachte, es wäre einfacher, mit Regeln zu arbeiten, statt die Rechtschreibung vieler Wörter einzeln zu erlernen. Zunächst war die Richtigschreibung unbedeutend, Fehler wurden nicht korrigiert, aber nach und nach sollten die Kinder dann doch richtig schreiben, die Rechtschreibregeln erlernen und beachten. Inzwischen erging (zumindest in Bayern) die Aufforderung, Rechtschreibfehler immer zu korrigieren. Aber, wenn man dabei auch Regeln vermitteln will, ähnliche Wörter als weitere Beispiele bringt und auf Wiederholung setzt, um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen, dann dürfte dafür die Zeit fehlen.
Im LehrplanPlus für die Grundschule in Bayern steht auf Seite 32:
„In der Grundschule erhalten die Schülerinnen und Schüler durch Unterstützung (z.B. von der Lehrkraft oder Mitschülerinnen und Mitschülern) bereits ab Schulbeginn die Möglichkeit, eigene kleine Texte (Wörter, Sätze) zu verschriften, um ihnen die Bedeutung von Schrift für die Kommunikation eigener Erfahrungen anschaulich zu machen und eine grundlegende Schreibmotivation aufzubauen. Die Lehrkraft ergänzt die Texte der Schülerinnen und Schüler im Anfangsunterricht durch die regelgerechte Schreibweise und zeigt so die Unterschiede zwischen der Schreibung des Kindes und der rechtschriftlichen Schreibweise auf. Sie wirkt von Anfang an darauf hin, dass normgerechte Schreibungen nach den im Lehrplan vorgesehenen Prinzipien systematisch eingeübt werden.“
Das Problem dabei: Die eigenen Texte der Kinder werden wohl kaum irgendeiner Systematik unterliegen. Hinzu kommt im LehrplanPlus auf Seite 33 folgender Hinweis:
„Rechtschreibübungen finden nicht isoliert und ohne Anwendungsbezug statt, sondern sind eingebunden in sinnvolle Kontexte wie das Verfassen und Überarbeiten eigener und gemeinsamer Texte. Die Lehrkraft weist bereits im Anfangsunterricht auf normgerechte Schreibungen hin.“
Es ist zwar gut, dass Falschschreibungen nicht stehen bleiben oder wie früher, wenn der Sinn gut war, sogar belobigt wurden, aber dabei eine Systematik einzuhalten, das stelle ich mir schwierig vor. Mit meinen Schülern übe ich Rechtschreibthemen meist ohne Einbindung in einen sinnvollen Kontext. Isolierte Rechtschreibübungen sind sehr sinnvoll, zum Beispiel die Kartentechnik, um Merkwörter systematisch zu üben, oder eine Batterie von Beispielsätzen, um eine bestimmte Rechtschreibregel gezielt zu festigen.
Viele Kinder mit Rechtschreibschwierigkeiten machen bei Fremdsprachen weniger Rechtschreibfehler. Klar, da lernen sie systematisch und schreiben nur Wörter, die sie vorher gelernt haben! Originalzitat aus einem Internetforum:
„Meine Tochter hat eine isolierte Rechtschreibstörung, und hat seit 3 Jahren in der Realschule Französisch, weil Sie das unbedingt lernen wollte. Ihre Noten sind sehr gut, der Notenschutz und Nachteilsausgleich haben wir auch in Französisch, wobei Sie komischerweise kaum Fehler in Französisch hat und die Rechtschreibung überhaupt nicht bei Französisch uns Gewicht fällt. Anders sieht es un Deutsch aus.“ (sic)
Ich kann mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass man den Sinn dieses Textes trotz der vier Fehler einwandfrei erkennen kann. Ich weiß nicht, ob sich die Schreiberin das auch dachte. Viele Menschen sparen sich inzwischen die Zeit für eine nochmalige Durchsicht ihrer Texte. Ehrlich gesagt, ich habe mich dabei auch schon erwischt, auf „Senden“ zu klicken, ohne das schnell Getippte noch einmal geprüft zu haben.
Mir ist bei meiner Leseförderung aufgefallen, dass in der ersten Klasse Lesen und Schreiben als Einheit gelehrt wird. Das führt dazu, dass erst sehr spät der komplette Buchstaben- bzw. Lautumfang zur Verfügung steht. Da wird viel Lesezeit verschenkt. Gezieltes Lesenlernen ginge viel schneller. Und mit Blick auf das Gesamtergebnis wäre es besser, eine verbundene Schrift von Anfang an einzuüben. Verzichten müsste man dann nur auf erste eigene Schreibversuche, wie sie im LehrplanPlus (siehe Zitat oben, Seite 32) gefordert werden.
Bisher hat man aus IGLU und PISA kaum Konsequenzen gezogen. Man diagnostiziert lieber eine Lese- oder Rechtschreibstörung, denn das Schulsystem schließt man als Ursache aus. Für die betroffenen Kinder kann Nachteilsausgleich oder Notenschutz gewährt werden. Insbesondere der Notenschutz macht deutlich, dass es auch ohne Rechtschreibung geht.
Man darf aber nicht vergessen, dass der Lese- und Schreiblernprozess schon vor der Schule beginnt. Unsere Gesellschaft wird wohl noch mehr Ressourcen für den vorschulischen Bereich bereitstellen müssen. Der Betreuungsschlüssel stimmt nicht. Kinder lernen die Sprache am besten von Erwachsenen. Auch auf erste Routinen, zum Beispiel auf die Stifthaltung müsste schon in den Kitas geachtet werden. Dass der Vorschulbereich zu einem anderen Ministerium gehört als die Schule, ist nicht förderlich. Vorschulbereich und Schule müssen besser verzahnt werden. Meine Netzwerkkollegin Ilka Kind hat einen Artikel geschrieben, was man als Eltern beachten sollte und tun kann. Link siehe unten.
Konsequenzen aus Iglu und Pisa? Jetzt doch!
Erste Ansätze sind zu erkennen. Die Lesezeiten sollen erhöht werden. In einigen Ländern spricht man von 3 mal 20 Minuten pro Woche. Wenn das eine Ausweitung der Lesezeit ist, dann hat man das Thema bisher sträflich vernachlässigt. Das Startchancenprogramm, mit dem Brennpunktschulen gefördert werden sollen, ist sehr zu begrüßen. Und von Kultusministern hört man jetzt oft, dass man bei den Grundkompetenzen beginnen müsse, also bei der Grundschule. Praktiker könnten es nicht treffender sagen, tun dies aber schon lange.
In Bayern soll wieder mehr Wert auf die Handschrift gelegt werden. Man hat erkannt, dass sich viele Schüler viel zu sehr plagen müssen und zu schnell ermüden. Eine flüssige, leicht gängige, also automatisierte Handschrift ist die Grundvoraussetzung für eine sichere Rechtschreibung. Wer sich auf die basalen Aufgaben konzentrieren muss, kann nicht an die Rechtschreibung denken. Verbindliche Sprachtests sollen kommen. Hoffentlich gibt es genügend kompetentes Personal dafür. Außerdem soll es in der Grundschule in jeder Klassenstufe eine Stunde mehr Deutsch (und in den Klassen 1 und 4 je eine Stunde Mathe) mehr geben. Die Unterrichtszeit soll aber gleichbleiben. Verwundert bin ich über den BLLV, der Englisch in der Grundschule für unverzichtbar hält. Bei den Lehrern müsste man doch wissen, dass in den weiterführenden Schulen sowieso wieder von vorne begonnen wird. Für Religion sind in Bayern laut der Partei mit dem C drei Stunden in den Klassen 3 und 4 unabdingbar. Lesen könnte man in allen Fächern üben. Fachintegrierte Leseförderung (FILBY) ist in Bayern übrigens ein sehr sinnvolles Projekt. Für solche Schüler, wie ich sie zur Förderung übernehme, sind die guten Texte aber zu anspruchsvoll, um sie schon flüssig lesen zu können. Der BLLV plädiert dafür, die Unterrichtszeit auszuweiten. Aber immerhin scheint sich jetzt generell die Erkenntnis durchzusetzen, dass ohne Gegensteuerung die Lese- und Rechtschreibfertigkeiten (und Mathe) weiter absacken werden.
Wie kann man mit Kindern üben?
Meine verklärte Nostalgie und der Versuch einer Ursachenanalyse helfen wenig, wenn man die Rechtschreibung von Schülern verbessern will oder muss. In der Schule gibt es manchmal Förderunterricht für ausgewählte Schüler. Ich habe selbst schon einen solchen in einer Mittelschule mitgestaltet. Oft bemühen sich Eltern und wahrscheinlich noch öfter werden Lerntherapeuten zur Verbesserung der Rechtschreibkompetenz eingeschaltet. In meinem Netzwerk Kompetenzzirkel Lernen (Link siehe unten) gibt es viele Kolleginnen, die helfen können.
Einige der nachfolgenden Übungsmöglichkeiten erwähnt auch Dr. Müller in seinem Artikel.
Handschrift: Eine flüssige, leichtgängige Handschrift ist Voraussetzung für die Rechtschreibung. Die Handschrift gehört zum Handwerkszeug der Schule und muss automatisiert sein. Wenn sich Schüler auf den handwerklichen Vorgang konzentrieren müssen, müssen sie zwangsläufig die Rechtschreibung vernachlässigen. Was man da tun kann? Das sagt meine Netzwerkkollegin Dina Beneken in ihrem Blog „Wie kannst Du Deinem Kind mit der Rechtschreibung helfen?“ (Link zum Blog mit Video siehe unten).
Konzentration auf ein Rechtschreibthema: Wenn man einen Schüler fördert, der auf 100 Wörter 40 oder mehr Fehler macht, hat es keinen Sinn, jeden Fehler zu besprechen. Da erzeugt man Verwirrung. Sinnvoll ist es, sich auf eine Fehlergruppe zu konzentrieren, zum Beispiel auf die Großschreibung oder auf Doppelkonsonanten. Andere Fehler bleiben außen vor, was mir wirklich sehr schwerfällt. Ich habe einmal eine Schülerin gelobt, obwohl sie eine Vielzahl von Fehlern machte. Aber von 13 Großschreibungen, dieses Thema hatten wir geübt, war nur noch eine falsch.
Zeitnahes Feedback: Wenn meine Schüler schreiben, mache ich sie meist spätestens am Ende eines Satzes darauf aufmerksam, dass etwas nicht stimmt. Ob und wie umfangreich der Fehler dabei besprochen wird, hängt vom Einzelfall ab. Das kostet zwar Zeit, aber ich finde es effektiver, wenige Fehler gründlich zu besprochen, als viele schnell-schnell, wobei dann meist gar nichts hängen bleibt.
Merkwörter: Die Kartentechnik ist immer hilfreich, auch bei der Rechtschreibung. Die Karten mit den Fehlerwörtern können für jede richtige Schreibung mit einem Haken versehen werden. Hilfreich können auch Eselsbrücken in Form von Bildern oder Collagen sein. Merkwörter sind immer bezogen auf einen konkreten Schüler. Auch Wörter, für die es eine Regel gibt, können für einzelne Schüler besser als Merkwörter geübt werden.
Eigenkorrektur: Kurze Diktate oder selbstverfasste Texte können die Schüler auch selbst korrigieren. Dabei kann eine gewisse Hilfestellung gegeben werden. Vielleicht überzeugt auch der Hinweis, dass auch erfahrene Schreiber ihre eigenen Texte korrigieren müssen, weil sich Fehler eingeschlichen haben, und seien es bloß Tippfehler. Die Selbstkorrektur kann auch in mehreren Schritten durchgeführt werden. Zum Beispiel konzentriert man sich nacheinander auf verschiedene Rechtschreibthemen. Manchmal ist es auch gut, die Wörter des Textes von hinten beginnend zu korrigieren. Das erleichtert die Konzentration auf das Wort, man ist nicht mehr mit dem Inhalt und Sinn dessen beschäftigt, was man geschrieben und noch im Kopf hat.
Lückentexte: Diese Methode ist sehr beliebt. Aber oft wundert man sich, dass, obwohl alle Lücken richtig gefüllt wurden, beim freien Schreiben wieder Fehler passieren. Es wird oft übersehen, dass sich die Schüler bei Lückentexten auf einen ganz bestimmten Punkt konzentrieren können. Andere Schwierigkeiten sind ausgeblendet. Beim Schreiben eines eigenen Textes ist Multiprocessing gefragt. Man muss überlegen, was man schreiben will und gleichzeitig die Rechtschreibregeln bedenken. Wenn die Handschrift nicht locker und nicht automatisiert ist, erfordert die auch noch Gehirnkapazität.
Partnerschreiben: Schüler und Trainer oder ein anderer Übungspartner korrigieren sich gegenseitig. Sie schreiben entweder den gleichen Satz oder jeder einen eigenen zu einem bestimmten Stichwort. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich habe auch schon gehört, dass manche Trainer einen Avatar, zum Beispiel eine Puppe oder den Teddy schreiben und dann ihren Schüler korrigieren lassen.
Erlebnisreich üben: Bei der Großschreibung bietet sich an, auch einmal einen Text zu sprechen und bei jedem Wort, das groß zu schreiben ist, steht der Schüler auf. Auch Spiele sind ein gutes Mittel, um damit Motivation und Lernerfolge zu erzielen. Einen Link zu einer Liste mit geeigneten Lernspielen für die Rechtschreibförderung finden Sie unten.
Korrekturprogramme: Damit kann man das Üben interessant gestalten. Warum schlägt das Korrekturprogramm die Änderung vor? Da muss der Trainer schon sattelfest sein. Ich nehme nicht jede Änderung meines Korrekturprogramms an. Beispiel: In dem Satz von weiter oben „Verwundert bin ich über den BLLV, der Englisch für unverzichtbar hält“, reklamiert das Korrekturprogramm das Wort „der“ vor „Englisch“ und empfiehlt „das“. Ohne Rechtschreib- und Grammatikkenntnisse wäre man da hilflos.
Motivation und Bewusstheit für eine richtige Schreibung müssen geweckt werden. Da gilt es, Versagensängste ab- und Zuversicht aufzubauen, am besten, wie immer, mit Erfolgserlebnissen. Die oben erwähnte Schülerin, die zwar viele Fehler machte, aber die Großschreibung sehr gut umsetzen konnte, wird in der Schule, wenn sie keinen Notenschutz hat, trotzdem mit einer 6 bestraft. Der Notenschutz ist aber eine zweischneidige Sache. Er signalisiert den Schülern, dass die Rechtschreibung wenig Relevanz hat, weil es auch ohne geht. Jemanden zu motivieren heißt, so habe ich es in meinem Berufsleben gelernt, ihn zum Wollen zu bringen. Oft muss leider ohne das Wollen geübt werden.
Im Repertoire von Rechtschreibtrainern und Lerntherapeuten gibt es sicher noch mehr Ansätze, wie motivierend geübt werden kann.
Ich wünsche allen, die Kindern bei der Verbesserung ihrer Rechtschreibleistung helfen, viel Erfolg!
Februar 2024, Siegbert Rudolph
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Link-Sammlung
Rechtschreibung – didaktische Hinweise für die Sekundarstufe – Dr. Hans-Georg Müller, Dozent an der Universität Potsdam, Rechtschreibung – didaktische Hinweise für die Sekundarstufe – Zentrum für Sprachbildung, Berlin
Kompetenzzirkel Lernen: Lerntherapeuten in meinem Netzwerk
Übungsmöglichkeiten:
der-lesekoch: Übungen zum Herunterladen, Menü: Übungen/Download …
der-lesekoch: Online-Übungen
Diana Rohrbeck – Wachsenlernen: Sehr gutes, umfangreiches Material zum Herunterladen
Dina Beneken: Spieleempfehlungen und weitere Videos zur Rechtschreibung
Dina Beneken – Videos zur Rechtschreibung: Wie kannst Du Deinem Kind bei der Rechtschreibung helfen?
Ilka Kind: Blog – Lesen- und Schreibenlernen beginnt im Kindergarten
Isb Institut für sprachliche Bildung: Ableitungen für die Richtigschreibung systematisch üben – Auslaute sowie ä, äu und ig: Günther Thomé und Dorothea Thomé, Wortstämme, isb Institut für sprachliche Bildung, Fachverlag, Oldenburg (siehe Linksammlung), Beim isb Fachverlag gibt es weitere gute Übungsbücher und grundsätzliche Informationen.
Der Lesekoch, weitere Blogs zur Rechtschreibung, die auch für das Üben herangezogen werden können:
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